Zur Vorgeschichte:
Beim Chang Jiang-Gespann handelt es sich um die Kopie einer Kopie.
Das klassische Motorrad Chang Jiang ist in seinem Grundkonzept eine Kopie der legendären BMW R71. Diese war Ende der 30er Jahre ein robustes, solides, langstreckentaugliches Motorrad. Die bewährte deutsche Technik gelangte vor dem 2.Weltkrieg (mal als Hinweis: es ist nicht “das” Wehrmachtsgespann, sonder eine normale zivile Maschine gewesen) mit Lizenzvertrag nach Russland und von dort zu den chinesischen "Genossen". Die Russen bauten ab 1941 die M 72. Diese wurde später stetig modernisiert und war als Ural bzw. Dnepr im Handel. Die Chang Jiang weist diese Modernisierungen nicht auf, denn schon in den 50er Jahren lieferten die Russen einige M 72 Gespanne und Konstruktionspläne gegen Getreidelieferungen an die chinesischen “Genossen”. Dank dieser Hilfe konnte in der ostchinesischen Stadt Nanchang 1956 eine eigene Fertigung (damals noch unter dem Namen "Yangtzee") anlaufen. Die Gespanne wurden nach dem Chang Jiang-Fluss benannt, der von Nanchang nach Shanghai und ins Ostchinesische Meer fliesst. In China diente das Chang Jiang-Gespann als Armee- und Behördenfahrzeug. Bis heute wurden in China für Militär, Behörden und auch für privilegierte Parteifunktionäre seit 1957 (= Beginn der Serienproduktion in China) insgesamt hunderttausende Motorräder dieses Baumusters gefertigt. Allen Unkenrufen zum Trotz wurden mit diesem Motorrad Millionen von Kilometern von weltreisenden Abenteurern abgespult. Im Falle einer Panne lässt sich die einfache, aber robuste Technik, falls nötig, mit simplen improvisierten Mitteln reparieren.
Im Gegensatz zu Dnepr und Ural, wo mit den Jahren auch diverse Modifikationen (wenn man sie denn so nennen kann) an den Modellen stattfanden, ging die Zeit bei Chang Jiang ohne große Änderungen vorüber. Einzig eine 12 Volt- Anlage und ein E-Starter sind hinzugekommen und man hat die “Leistung” des Motors etwas gesteigert. Der seitengesteuerte Motor, der Blattgefederte Seitenwagen sowie die der Lenker mit Innenseilzügen ist noch so wie in den 50ern. Bis heute wurden mehrere 100.000 Maschinen hergestellt. Auch in Westeuropa und auf vielen Kontinenten, fand das heute unter dem Namen "Chang Jiang" laufende Modell viele Liebhaber, die ihre robuste Bauweise und Zuverlässigkeit ;-) zu schätzen wissen. Früher, auf den schlecht ausgebauten Strassen betrug die Geschwindigkeit 40 bis 50 km/h. In diesem Geschwindigkeitsbereich fährt sich das Gespann selbst auf Strassen ohne Asphalt recht komfortabel. Mehr als 80 km/h Dauergeschwindigkeit sollte man dem Motor nicht abverlangen. Es verbietet sich, im Zusammenhang mit diesem Motor von Höchstleistung und maximalem Drehmoment zu sprechen. Die Leistung ist nach heutigem Massstab niedrig und das Drehmoment bei jeder Tourenzahl minimal. Trotzdem ist das “gefühlte” Drehmoment bei SV-Motor unbeschreiblich hoch.
Das Getriebe ist nichts für zartbesaitete Naturen. Je nach Geschick und Tagesform gelingen völlig geräuschlose Schaltvorgänge, oft kracht es markerschütternd, und wenn man nicht aufpasst, kratzt es wie bei einem alten Traktor.
Die Bremsen verlangsamen die Fahrt, das Fahrwerk fährt und werkt, die Aufhängungen hängen die Räder auf, und am Gespann hängen sie auch.
Die Grundkonstruktion der Chang Jiang geht auf anno 1938 zurück und müsste eigentlich veraltet sein. Doch die Chang Jiang bietet etwas, was andere Motorräder nicht bieten:
Das Gefühl einfach nur Motorrad zu fahren - im ursprünglichsten Sinn.
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